Am Orinoko
Friedrich Gerstäcker schrieb wenige Wochen vor seinem Tod an dem Roman "Am Orinoko", der völlig zu Unrecht heute weitgehend unbeachtet ist. Gerstäckers Interesse für den mächtigen Strom basiert nicht nur auf der Bewunderung für Alexander v. Humboldt, dessen Reise er durchaus kritisch würdigte, sondern wahrscheinlich schon auf Defoes Robinson Crusoe, der bekanntlich Zuflucht nach dem Schiffbruch auf einer Insel in der Orinoko-Mündung fand.
Sein Roman "Die Blauen und die Gelben. Venezuelanisches Charakterbild aus der letzten Revolution von 1868", 1870 in drei Bänden bei H. Costenoble, Jena, erschienen, ist ein erster Vorläufer. Den farblich unterschiedlich gekennzeichneten Revolutionären begegnen wir gleich am Anfang des fragmentarisch gebliebenen Romans erneut.
Moment mal - fragmentarisch? Nun, das Manuskript endet nach dem eigenhändigen Eintrag des Verfassers in seinem Kalender mit dem 22. Kapitel, "Der Mord". Begonnen hatte Friedrich Gerstäcker das Werk am 3. März 1872, aber vermutlich zwischendurch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit unterbrochen, weil er sich offenbar nicht wohl fühlte. Schließlich findet sich unter dem 27.5. ein Vermerk, dass er sich krank fühlte. So ist auch unter dem Datum des 7. April zu lesen: "wieder begonnen" - möglicherweise also der Hinweis auf eine Unterbrechung seiner Arbeit und der Wiederaufnahme.
Der Roman sollte in der Kölner Zeitung veröffentlicht werden, wurde dort aber nicht, wie sonst so oft, in Fortsetzungen begonnen. So blieb das Werk unvollendet, bis sich der Schriftsteller Josef Matheus Velter (1895-1949) seiner annahm, ihn vollendete und innerhalb der Reihe "Reiseromane und Schilderungen aus aller Welt", Goldmann-Verlag, Leipzig, 1936-39, veröffentlichte.
Der Buchumschlag zeigt - wie bei allen Bänden der Goldmann-Ausgabe - eine umlaufende Szene. Außerdem gab es mit dem Motiv der Titelseite einen Prospekt.
Zum Inhalt
Der Beginn des Romans erinnert ein wenig an das Spätwerk im Eckfenster. Hier wie dort kehrt nach langer Abwesenheit ein "unschuldig Verurteilter" in die Heimat zurück. Als Strafgefangener in Cayenne wurde Eugene seit Jahren inhaftiert, nach eigener Aussage als politischer Gefangener, der sich gegen Napoleon III. empört hatte. Cayenne, richtiger die Inselgruppe Îles du Salut, wurde von den Franzosen noch bis 1951 als Strafkolonie benutzt. Von hier aus flohen sechs Männer mit einem kleinen Boot bis an die Küste Venezuelas und in die Mündung des Orinoko.
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